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Im Regensburger Kontaktladen von „DrugStop” wird Drogenabhängigen, ehemaligen Süchtigen und Obdachlosen geholfen. Seit rund zwei Jahren erhalten Menschen, die nicht regulär krankenversichert sind, dort kostenfreie medizinische Hilfe. Die Streetworker halten ständig Kontakt mit den Betroffenen.

Es ist früher Nachmittag, als der Rettungswagen zum Stehen kommt. Lange Zeit hatte der Drogensüchtige die Thrombose mit sich herumgetragen, bis er im Kontaktladen der Drogenhilfe „DrugStop“ endlich ärztliche Hilfe bekam. Unter dem Dach des Vereins Rafael sorgen die Ärzte des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder dafür, dass die etwa 150 Obdachlosen der Stadt, die regulär nicht krankenversichert sind, kostenfreie medizinische Hilfe erhalten. Einmal in der Woche sind die Ärzte ein paar Stunden im Kontaktladen der Drogenhilfe ehrenamtlich im Einsatz. Doch im Kontaktladen haben nicht nur die Ärzte alle Hände voll zu tun.

Ärztliche Versorgung ohne Versicherung

Jeden Tag öffnet der Kontaktladen allen Drogenabhängigen, ehemaligen Süchtigen und Obdachlosen seine Türen. Hier bekommen sie, neben ärztlichen Untersuchungen, auch warme Mahlzeiten, sie können den Waschraum und die Kleiderkammer benutzen und täglich ihre gebrauchten Spritzen gegen neue eintauschen. Der Kontaktladen ist ein Ort, an dem sich Abhängige treffen und zur Ruhe kommen können, ohne dass andere ihnen verurteilende Blicke zuwerfen. 

Die einzige Bedingung besteht in den drei Regeln, die jeder einhalten muss: Kein Konsum, kein Handel, keine Gewalt. Für die Streetworker des Kontaktladens findet ein Großteil der sozialen Arbeit aber nicht im Haus, sondern „auf der Szene“ selbst statt.

Süchtige und Obdachlose - der ständige Kontakt ist wichtig

Für den Streetworker (Name dem Autor bekannt) beginnt der Rundgang eigentlich vormittags, doch die Arbeit lässt nicht immer auf sich warten: Auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle am Morgen begegnet er einem Betrunkenen, der sich kaum mehr aufrecht halten kann. Manche würden bei unangenehmen Anblicken schnell vorübereilen, doch die Leute von DrugStop machen es besser vor: „Der Mann hat es zwar deutlich abgelehnt in ein Krankenhaus zu gehen, doch er hat meine Hilfe angenommen, um sicher nach Hause zu kommen“, erläutert der Streetworker.

Ständiger Kontakt mit Obdachlosen oder Abhängigen ist das tägliche Brot für den Streetworker: „Am Tag sind 30 Kontakte ganz normal. Manche wollen Hilfe, aber oft reicht es auch aus, kurz vorbeizuschauen. Es ist wichtig, dass man dranbleibt“, erklärt er. Wenn er sich auf den Weg macht, ist sein vollgepackter Rucksack schon einsatzbereit: Visitenkarten mit der Adresse des Kontaktladens, Verbandsmaterial für alle Fälle, neues Spritzbesteck, um alte Spritzen zu ersetzen und somit Infektionen und Spritzenabszesse zu vermeiden. Auch ein paar Semmeln für hungrige Mäuler sind immer griffbereit.

Gebrauchte Spritzen einsammeln und tauschen

Im Gepäck sind auch die Verschlussbehälter zum Entsorgen der gebrauchten Spritzen dabei, wie man sie aus dem Krankenhaus kennt: Es kommt vor, dass Süchtige ihre gebrauchten Spritzen mit Drogenrückständen zurücklassen. So ein Szenario kann sehr schnell sehr schlecht enden, zum Beispiel wenn ein Kind zufällig über so eine Spritze mit Rückständen stolpert. Deshalb sammelt der Kontaktladen regelmäßig die gebrauchten Spritzen ein und kontrolliert die von den Drogensüchtigen regelmäßig genutzten Plätze, wie die Römermauer am Ernst-Reuter-Platz.

Wieso diese Mauer so ein beliebter Ort zum Spritzen ist? Natürlich weil man sich dahinter besonders gut verstecken kann: „Die Nischen in der Mauer sind aus der Ferne nicht zu sehen und ideal, um seine Spritzen nach Gebrauch dort versteckt liegen zu lassen“, erzählt der Streetworker, während er eine gebrauchte Spritze vorsichtig aus einer Nische zieht und sicher verpackt. Dank des täglichen Spritzentausches im Kontaktladen sind die liegen gelassenen Spritzen viel weniger geworden. Denn statt sie wegzuwerfen, tauschen die Süchtigen ihre gebrauchten Spritzen lieber gegen neue ein.

Unter freiem Himmel hausen

Einige Abhängige haben zwar Wohnungen, doch ein großer Teil hat nicht so viel Glück: Viele Menschen, denen man am Bahnhof oder an der Albertstraße begegnet, haben keine feste Bleibe. Sobald der Streetworker bei seiner Runde am Bahnhof angekommen ist, trifft er auch schon auf einen seiner Klienten, der noch am selben Morgen wegen eines Treffens angerufen hatte: Er hat gehofft – und das nicht umsonst –, dass der Streetworker später am Tag dabei sein könnte, wenn er seinen Mietvertrag unterzeichnet.

Schon bald kommen Weitere zum Gespräch hinzu und erzählen, wie es ihnen geht. Es ist anfangs nicht leicht, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, hat jedoch oberste Priorität. Und dementsprechend macht sich der Streetworker nachmittags erneut auf den Weg, um, wie versprochen, bei der Mietvertragsunterzeichnung dabei zu sein.

Teufelskreis – kein Ausweis, keine Arbeit, kein Geld

Kann jemand im bürokratischen Deutschland ohne Ausweis zurechtkommen? Die Realität, wie der Streetworker sie beschreibt, sieht nicht allzu rosig aus: Er begleitet seine Klienten auf Wunsch zu den Ämtern. Auch wenn es darum geht, einen Ausweis zu beantragen. Denn es kommt tatsächlich immer noch vor: Ein Drogensüchtiger geht alleine zum Amt und wird, nur aufgrund seines nicht so gepflegten Äußeren, einfach eiskalt abgewiesen.

Ohne Ausweis sei es für einen Obdachlosen extrem schwer eine Wohnung zu finden, gibt der Streetworker zu bedenken, als es nach der gedrehten Runde wieder zurück zum Kontaktladen geht. Trotz Hilfe der Streetworker sind generell nur wenige dazu bereit, Obdachlosen eine Wohnung zu vermieten – und davon gibt es immerhin rund 150. Nimmt man alle Wohnungslosen zusammen, steigt die Zahl sogar bis auf das Doppelte. Das sind demnach über 300 Menschen, deren einzige Möglichkeit auf ein warmes Bett die Couch eines Freundes ist – insofern es einen Freund mit einer Couch gibt.

Eine Arbeitsstelle würde es natürlich auch nicht ohne gültigen Ausweis geben, wie der Streetworker weiter erzählt. Keine Arbeit heißt kein Geld, und somit keine Möglichkeit, eine Wohnung zu finanzieren. Ohne Geld gibt es auch keine Passbilder, die für einen Ausweis benötigt werden. Hatte der Klient noch nie eine Arbeitsstelle, gibt es auch kein Arbeitslosengeld. Ein einziger großer Teufelskreis für die Obdachlosen.

Eine Anlaufstelle für jedes Alter

Es gibt auch ein paar eingefleischte Obdachlose, die mit ihrem Leben unter freiem Himmel zufrieden sind. Doch jeder, der Hilfe will, bekommt sie auch. Und das nicht nur im Kontaktladen: In der Beratungsstelle Drogenhilfe e.V. DrugStop hat das Fachpersonal immer ein offenes Ohr.

Unter dem Motto „Wir verhindern den Einstieg – wir begleiten den Ausstieg“ bietet DrugStop sozialpädagogische und psychologische Beratung und Begleitung für alle Interessierten an: für Obdachlose, genauso wie für Jugendliche. Für Schüler, die mit Drogen experimentieren und für deren Eltern, die sich hilflos fühlen. Für Angehörige, die Unterstützung brauchen und auch für sämtliche Betroffene, die den Ausstieg aus der Sucht suchen.

Hobbys und Freunde - das Leben nach der Sucht gestalten

Im Gegensatz zu verächtlichen Blicken von vorurteilsbeladenen Leuten, wird man bei DrugStop mit Respekt behandelt – immerhin hatten Ex-User den Verein damals mitgegründet, wie eine Mitarbeiterin (Name dem Autor bekannt) von der Drogenhilfe erzählt. Damals wollten drei ehemalige Abhängige zusammen mit Fachpersonal einen Ort schaffen, an dem man sich nach der Therapie treffen und reden könne. Denn nach einer langen Zeit mit Sucht und Therapie könne es geschehen, dass man keine Freunde oder Hobbys mehr habe und nicht wisse, wie man seine Freizeit gestalten könne, ohne zur Szene zu laufen. DrugStop biete nicht nur psychologische Hilfe an, sondern auch Freizeitgestaltungen und eine Kreativwerkstatt, erklärt die Mitarbeiterin. DrugStop sei eine Anlaufstelle für alle, die eine neue Perspektive brauchen. 

 

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